Sonntag, Januar 29, 2006

 

Was für ein Wochenende!

Dieses Wochenende steht komplett im Zeichen von Poker. Ich fahre mit meiner Freundin Sunshine mal eben die 500 km nach Petrovice (Tschechien, Nähe Dresden), um in einem €50+15+Rebuys-Turnier mitzuspielen. Eigentliche Intention des Trips ist, auf diese Weise einen netten Abenteuer-Kurzurlaub zu machen - in den €15 ist nämlich die Übernachtung und die komplette Verpflegung enthalten.

Nach der Ankunft am Casino Freitag abend gegen 18 Uhr reicht die Zeit gerade noch, das Hotel zu suchen und das Zimmer zu belegen - wir sind auf den Namen "Michalski" registiert und dürfen das Wort "Casino" nicht erwähnen, weil das Hotel mit dem Casino irgendwie im Clinch liegt. Interessante Sache - ein bisschen kommen wir uns vor wie Agenten in geheimer Mission.
Das Zimmer ist ziemlich rustikal, aber wir hatten "für umme" mit Schlimmerem gerechnet.
(Übrigens liegt das Casino auch mit dem angrenzenden Lokal im Clinch - am Samstag abend wird uns kurzzeitig das Wasser abgedreht, weil die Pokergemeinde in Unwissenheit den Lokal-Parkplatz zugeparkt hat.)
Davon abgesehen sind wir tatsächlich das ganze Wochenende bestens versorgt - es gibt im Casino durchgehend Würstchen, Frikadellen, belegte Brote und ähnliches sowie alle Getränke frei. Allein deswegen hätte sich der Trip schon fast gerechnet.

Jetzt aber mal zum Poker:
Freitag abend findet die erste Qualifikationsrunde statt. Es wird im Shootout-Format gespielt - fünf Tische zu je neun Spielern kämpfen um jeweils drei Startplätze im Finale. Die Blinds steigen relativ moderat alle 10 Hände, so etwa Sit&Go-Format.

Sunshine, die seit zwei Wochen im Internet Limit-Hold'em ($0.25/0.50) spielt, rechnet sich nicht besonders viele Chancen aus. Immerhin habe ich ihr auf der Fahrt noch einen Crashkurs in Sachen NL gegeben (welche Hand spielt man in welcher Situation, wann geht man all-in etc) - offensichtlich erfolgreich, sie qualifiziert sich auf Anhieb! (Nach dem fünften Spiel bracht sie allerdings einen Rebuy, als sie mit A-Q raist, A-Q im Flop kommt, sie all-in geht, jemand callt und auf dem River eine Straße fischt - gut gespielt und Pecht gehabt, kommt vor. Der Add-on für 3000 Chips (Buy-in und Rebuy jeweils 1500) ist sowieso obligatorisch und wird nur von zwei oder drei sehr überheblichen Spielern nicht in Anspruch genommen, die sich später allesamt darüber ärgern. An Sunshines Tisch sitzt übrigens eines der bekanntesten Gesichter der deutschen Profi-Pokerszene: Michael Keiner. Ironie des Schicksals: Er scheidet als erster aus.

Meine Vorrunde läuft anfänglich auch nicht schlecht, nach der Rebuyphase, die ich ohne Rebuy, nur mit Add-on abschließe, stehe ich mit fast 8000 Chips als Chipleader da. Leider dreht sich das Glücksrad; der wildeste Spieler am Tisch trifft grandios ein all-in mit J-J gegen jemand mit K-K und jemand mit A-A trippelt auf, ist uneinholbar und "verschenkt" einen ansehnlichen Anteil seiner Chips an jemand anderen, der damit wiederum mich dezimiert. Als nur noch 4 Spieler am Tisch sind (Erinnerung: 3 kommen weiter) sind die beiden uneinholbar, ich habe 7000 Chips, der Smallstack knapp über 1000 und die Blinds liegen bei 1000/2000, knapp darauf bei 2000/4000. Leider gewinnt Mr. Smallstack von nun an tatsächlich jedes seiner Spiele, geht einmal all-in mit A-5 und wird von Mr. Bigstack mit A-9 nicht gecallt (aus welchen Gründen auch immer) und in der finalen Hand habe ich nur noch ein paar Chips mehr als er. Er geht wieder all-in, ich habe K-Q und calle natürlich. Er dreht K-J um - ca. 71/24 für mich (5% tie)! Leider komplettiert er auf den River mit einer Q seine Straße und ich habe die A-Karte gezogen - und damit meine ich ausnahmsweise kein As!

Frustiert steige ich am "Kindertisch" (Fixed Limit 1/2) ein und gewinne wenigstens 38€ zurück - ein schwacher Trost. Sunshine spielt inzwischen ihr Spiel - Blackjack - und gewinnt 50€.

Wir beenden den Abend gegen 5 Uhr früh - das Casino ist am Wochenende durchgehend geöffnet - und betten unsere müden Häupter auf die angenehm harten Matratzen.

Um 15 Uhr am Samstag, also knapp nach dem Aufstehen, beginnt meine zweite Vorrunde für weitere 50+15€. Die ersten beiden Leute, die mir nach dem Eintritt ins Casino über den Weg laufen, sind Sven und Michael (der aktuelle GPPA-Weltmeister) - Leute, die ich in der Woche zuvor auf dem Homegame kennen gelernt habe. Wie klein die Welt doch ist! Die beiden sind kurzentschlossen mal eben die 500km von München nach Petrovice gefahren, um ihren Anteil vom Kuchen zu sichern. Übrigens kann man an den Tischen neben dem obligatorischen "Sächseln" (Dresden liegt ja direkt ums Eck) auch verstärkt "Schwäbeln" heraushören; größere Gruppen aus Heibronn und Sindelfingen haben ebenso den Weg ans Ende der Welt gefunden wie z. B. ein paar Berliner. Ein Gesicht - Carsten - kennen wir auch schon von einem Blackjackturnier in Baden (Schweiz); offensichtlich gibt es noch ein paar wenige Leute außer uns, die sich im Crossover zwischen den Welten (Poker und Blackjack) bewegen.

Meine zweite Vorrunde beginnt wieder hoffnungsvoll, wieder liege ich nach dem Add-on ohne Rebuy ganz gut im Rennen und wieder schaffe ich es nicht unter die ersten drei. :( Diesmal verliere ich ein all-in mit K-K gegen A-Ks; auf den River trifft Sven, der schon aufgestanden ist und mir die Hand reichen will, sein As. Also setzt er sich wieder hin, ich verzocke meine letzten paar Chips mit dem nächsten Blind und gehe essen (in einem naheliegenden Restaurant, ebenfalls vom Veranstalter bezahlt und ebenfalls rustikal, aber lecker). Mir bleibt noch eine letzte Chance - Sonntag früh um elf Uhr (also knapp nach dem Schlafengehen) findet ein Freeroll für alle noch nicht Qualifizierten statt, in dem die letzten drei Startplätze fürs Finale vergeben werden.

Bis dahin ist allerdings noch eine lange Nacht angesagt - diesmal spiele ich ein bisschen Blackjack und erwischet ein paar sehr brauchbare Schlitten (sehr gute Hausregeln: Double any 2, Split auf beliebig viele Hände, Double after Split, Surrender, Penetration ca. 75-80%). Mit meinen gewonnenen 160 Euro setze ich mich zu den großen Jungs (Michael Keiner, einer der wohl 50 besten Omaha-Spieler weltweit, und Friend) an einen 1/2-Potlimit Tisch (Omaha+Hold'em Dealer's Choice). Ich habe zwar noch nie ernsthaft Omaha gespielt, aber so schwer kann das ja nicht sein, die Regeln kenne ich zumindest. Die 200 Euro sind schonmal als Lehrgeld abgeschrieben und ich verspreche mir, nicht nachzulegen. Auf die erste gespielte Omaha-Hand floppe ich gleich mal das Top Set, verschenke zwar wahrscheinlich Geld, weil ich sofort Pot raise und Sven, der meine Omaha-Vergangenheit als unbeschriebenes Blatt kennt, Lunte riecht, bin aber ein paar Euro im plus. Dann kommt lange nichts brauchbares, ich passe konsequent und zahle nur ein paar Mal die Blinds, und verliere nur einmal ca. 50 Euro mit einer Straight gegen ein gerivertes Fullhouse. Dann endlich eine offenbar spielbare Hand (Hold'em wird übrigens nur einmal pro Runde gespielt, nämlich wenn ich den Button habe) - A-T-T-9, zweifarbig. Ich limpe, außer mir noch zwei Leute. Flop: A-J-8 rainbow. Also Top Pair und Straight Draw, gut genug für 5 Euro. Einer callt, einer passt. Turn: noch ein As. Und jetzt passiert mir genau der Fehler, von dem ich weiß, dass er Omaha-Anfängern regelmäßig unterläuft: Ich sehe drei Asse und zwei Zehner und freue mich über ein gutes Fullhouse, ohne zu bedenken, dass ich nur zwei von meinen Pocketkarten verwenden kann - also nix Boat, sondern nur drei Asse, was im Omaha - das weiß sogar ich - nicht besonders viel ist. Trotzdem setze ich siegessicher mein Gewinnergesicht auf, raise Pot, staune nicht schlecht, als mich mein Gegner all-in setzt und calle kurzentschlossen. Was soll er schon tolles haben? Fullhouse mit Assen und Buben wäre das höchste der Gefühle, mit dem Risiko kann ich leben. Erst als die Karten zum Showdown umgedreht werden und er sich die Hände reibt, wird mit klar, dass ich nur drei Asse habe und er ein Fullhouse JJJAA. Unglaublicherweise entschließt sich das Schicksal in diesem Moment, dass Dummheit belohnt werden muss, und schickt eine 10 mit dem River. Mein Gegner rauft sich die Haare und verlässt konsterniert den Tisch. Ich stehe plötzlich 100 Euro im Plus (plus 160 vom Blackjack), aber die Luft ist raus und der Tisch löst sich auf. Macht nix, auf so viel Glück kann ich sowieso kein zweites Mal hoffen...

In der Zwischenzeit ist Sunshine in ein 20+3 Sit&Go mit 10 Spielern eingestiegen, um noch ein bisschen fürs morgige Finale zu üben - wie gesagt, sie hat weder NL- noch Turniererfahrung. Nach einem Badbeat steht sie nach anfänglich 1500 Chips nur noch bei 270, kann sich aber mit etwas Glück, der Auswahl der richtigen Gegner beim All-in und dann, als die Chips sich wieder bei ihr einfinden, auch mit ein oder zwei eiskalten Blöffs wieder zurück ins Geschehen kämpfen. Den Ausgang dokumentiert das folgende Bild (Handy-Kamera, leider schlechte Qualität):


Ja, genau, sie gewinnt souverän für 100€, als ob sie ihr Leben lang nichts anderes getan hätte als zu pokern. (Hab ich schon erwähnt, dass ich sehr stolz auf sie bin? :))

Eigentlich ziemlich zufrieden mit dem Ausgang des Tages fahren wir gegen 4 ins Hotel - schließlich muss ich um 11 ja wieder antreten, um mich doch noch fürs Finale zu qualifizieren. Nach einem Kassensturz stellen wir fest, dass wir Gesamtbilanzmäßig noch 65€ im Minus liegen - das lässt sich als Preis für ein ausgesprochen kurzweiliges Wochenende durchaus verkraften. Und vielleicht wirds am Sonntag ja noch besser?

Ein paar Stunden später treffen sich knapp 20 verbliebene müde Krieger (am Freitag haben 46 Spieler an 5 Tischen jeweils 3 Qualifikanten ausgespielt, am Samstag 24 Spieler an 3 Tischen), um sich um die letzten drei Startplätze zu streiten. Diesmal wird nur mit 1000 Chips gestartet und die Blinds steigen alle 5 Hände - also fast schon GPPA-Format und schon bald nur noch ein Glücksspiel. Trotzdem halte ich mich am Anfang zurück, spiele nur ein paar Hände, falle ein oder zwei Mal auf die Nase, als ich kleine Pots stehlen will und warte auf meine Chancen. Ich muss drei oder vier Mal all-in gehen, bleibe aber im Spiel. Wegen eines Fehlers des Chipzweiten - er geht mit 8-8 gegen einen Maniac all-in, der mit Q-4 callt und seine Q trifft, sind plötzlich nur noch 4 Spieler am Tisch, von denen zwei - ich und noch einer - weniger Chips haben als der Small Blind inzwischen beträgt. Glücklicherweise ist der andere vor mir dran mit den Blinds und verliert Q-6 gegen 9-4 (gefühlsmäßig glaube ich, der andere wollte ihn aufdoppeln und mit ins Finale ziehen, macht aber nix, eine 9 auf dem Board bringt mich gerade noch so ins Finale).

Das Finale startet gegen 14 Uhr im Freezout-Verfahren mit 27 Spielern zu je 3000 Chips. Die Blinds erhöhen sich alle 10 Spiele (15/30, 30/60, 60/100, 100/200, 200/400, 300/600, 500/1000, 1000/2000, 2000/4000, 3000/6000). Die Leute, von denen ich weiß, dass sie auf sehr hohem Niveau spielen, Michael Keiner an erster Stelle, scheiden allesamt früh aus (z. B. mit A-Qs gegen K-To des oben schon erwähnten Maniacs). Ich halte mich schwer zurück, was mir allerdings einbringt, dass ich für mein einziges Mal A-A am ganzen Wochenende gerade mal die Blinds kassieren darf, weil mein Tableimage ausgesprochen tight ist. Dafür kann ich später einen größeren Pot stehlen, als sich mein Straightdraw auf den River nicht erfüllt, dafür aber ein möglicher Flush auf dem Board liegt. Um mein Image aufzuweichen zeige ich den Bluff - wahrscheinlich goldrichtig. Der Maniac ist inzwischen gegen eine ziemlich solide spielende junge Dame namens Martina rausgeflogen, als er ihr all-in mit einem Gutshot-Straightdraw gecallt hat (Q-4, scheinbar "seine Hand" - diesmal aber nicht :)). Gegen ebenjene Martina kann ich in einer bemerkenswerten Hand kurz danach aufdoppeln: Ich halte Q-7 im Big Blind, sie ist im Small Blind und callt. Flop: Q-7-4 rainbow - traumhaft! Sie setzt pot-size, ich calle. Turn: blank. Sie setzt wieder, ich denke eine Weile nach und gehe dann all-in. Jetzt ist sie gefordert, sie denkt ebenfalls lange nach, callt dann und dreht um: Q-4. Im Gegensatz zu meinen üblichen Erfahrungen mit solchen Situationen aus dem Internet kommt auf den River keine 4 und plötzlich bin ich Chipleader. (Am Rande: Von 5 Frauen, die die Qualifikation mitgespielt haben, waren 4 im Finale. Und, wie sich später rausstellt, war das auch für Martina das erste Turnier - dafür ist ein vierter Platz mit 650€ Gewinnsumme schonmal gar nicht schlecht...)

Das Finale zieht sich so dahin, ich halte mich weitgehend aus dem Geschehen und stehle nur hin und wieder die Blinds, indem ich auf Smallstacks Druck ausübe. Der erste Tisch wird aufgelöst, dann nach einer Ewigkeit Bubbleplay auch der zweite - Finaltisch erreicht und damit im Geld! Ich staune nicht schlecht, als Sunshine neben mir Platz nimmt, mit einem Stack, der nicht viel kleiner ist als mein eigener. Wieviele Blackjack-Turniere haben wir schon zusammen gespielt -ein Spiel, bei dem wir sicher zu den top 10% der jeweiligen Mitspieler gehören - und noch keinen einzigen gemeinsamen Final Table geschafft. Und nun, bei diesem Turnier, wo ich mich vielleicht knapp über dem Durchschnitt der Spieler einschätze und Sunshine mangels jedweder Erfahrung realisisch gesehen eigentlich keine Chance haben dürfte, gleich auf Anhieb!
Und, besser noch, die Strähne hält an. Ich schaffe es sogar, mit K-K wieder mal gegen A-A zu rennen - und das nichtmal gegen einen Smallstack - und einen K auf dem Flop zu treffen. Diese Situation kommt mir ausgesprochen bekannt vor, mit dem kleinen Unterschied, dass diesmal ich derjenige bin, der das Glück gepachtet hat. Es scheiden noch ein paar weitere Smallstacks aus - Blinds sind inzwischen 2000/4000 und irgendjemand ist fast immer zwangsweise all-in, wir müssen nur abwarten. Irgendwann sind wir nur noch zu viert, ich nehme auch noch Martina vom Tisch (mit Q-9 gegen A-6). Dann unterbricht sich unsere Strähne kurz vor Turnierende: Sunshine, inzwischen auch nicht mehr allzu gut mit Chips gesegnet, verliert Q-Q gegen Daniels, den außer mir letzten Verbliebenen, 4-4 und wird damit Dritte. Komischerweise :) ist sie nichtmal besonders unzufrieden - weder mit ihrer Leistung noch mit 800€ Preisgeld. (Hab ich eigentlich schon erwähnt, wie stolz ich auf Sunshine bin?)

Daniel und ich schieben uns im Heads-Up mit ungefähr gleich großen Stacks die Blinds hin und her. Irgendwann raist er aus dem Small Blind heraus, ich sehe A-8 und gehe kurz entschlossen all-in. Er überlegt nicht lange, callt und dreht A-4 um. Wieder kommt keine 4 und...

... ich gewinne!!!
Das Preisgeld für den ersten liegt bei 2100€, Gesamtpreispool war 7050€. Was für ein Wochenende!

Unsere Erfolge auf einen Blick:



Übrigens war als Teilsponsor auch eine neue Pokersite vertreten, die Anfang Februar an die Öffentlichkeit geht und zum Start eine Menge interessante Aktionen und Overlay-Turniere anbieten wird. Näheres demnächst hier.

Comments:
Glückwunsch zum Sieg, selecti! Und auch für Sunshine, für das erste Turnier ist das ein traumhaftes Ergebnis!

Und jetzt setz mal die Serie online fort...
 
Danke für den tollen Bericht und natürlich Glückwunsch!! Gibt es im nächsten Jahr eine Neuauflage?

Gruß aus Berlin

Jones
 
Danke, Cort - wir sind immer noch nicht richtig zurück in der "normalen" Welt. Wobei die Grenzen immer mehr verschwimmen... :)


Und, DrJones: Die Neuauflage wird nicht bis nächstes Jahr auf sich warten lassen. Gerüchteweise war dies der Beginn einer Turnierserie. Das nächste Turnier dort ist angeblich für April geplant.
 
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